Warum Storytelling in Unternehmen so oft scheitert

Storytelling gilt als Werkzeug, um Produkte und Dienstleistungen an Kunden zu bringen. Eine Geschichte sei glaubwürdig und emotional. Aber Vorsicht: das gilt nur, wenn eine Geschichte beim Publikum ankommt. Hier Gründe, warum Storytelling in Unternehmen so oft scheitert.

Problem 1: Manipulation statt Empathie

Der feuchte Traum aller Marketer: Emotionen erzeugen, um die Menschen zum Kaufen zu verleiten. Storytelling scheint ein gutes Mittel zu sein und wird immer wieder als Werkzeug angeboten, das Emotionen erzeugt.

Doch das läuft so nicht.

Dem Publikum unterstelle ich ein feines Gespür. Es merkt, ob es sich um echte, fehlbare Charaktere mit Schwächen handelt oder um unglaubwürdige Stories. Das Publikum spürt, wenn es manipuliert werden soll und wendet sich ab.

Beispiel: Die käsige Heldenreise des Vorstands

Der Vorstand eines Unternehmens erzählt von einem Kratzer in seinem Porsche und wie er ihn beseitigt hat. Da wird kaum Mitgefühl aufkommen. Die Geschichte wirkt an den Haaren herbeigezogen, sie wirkt aufgesetzt und cheesy.

Was aber, wenn er sich als Kind sein erstes Fahrrad zusammengespart hat? Und dann ist das Fahrrad weg, gestohlen? Das erzeugt mehr Mitgefühl.

Was also, wenn sich unser Beispielvorstand nach dem Diebstahl entschlossen hat, das beste Fahrradschloss zu entwickeln und damit erfolgreich wurde? Das könnte funktionieren. Aber auch nur dann, wenn die Geschichte glaubwürdig ist.

Für die Glaubwürdigkeit interessant ist zum Beispiel die Herkunft unseres Helden:

  • Wenn er Sohn reicher Eltern ist und dann einfach ein neues Radl bekommen hat? Glaubwürdigkeit und Empathie sinken..
  • Wenn er wirklich aus bescheidenen Verhältnissen kommt? Könnte funktionieren. Aber auch nur dann, wenn er seine Herkunft nicht vergessen hat. (Vielleicht spendet er ja jedes Jahr 10.000 Euro für ein gemeinnütziges Fahrrad-Projekt…)

Emotionen können wir nur anbieten

Emotionen können wir nicht vermitteln. Wir können sie allenfalls anbieten. Über echte Probleme, Konflikte und Heldinnen und über das Mitgefühl des Publikums. Die Glaubwürdigkeit des Helden ist wichtig.

Problem 2: Unternehmen haben keine Probleme

In Unternehmen alter Schule ist das Problembewusstsein öffentlich nicht vorhanden. Produkte und Dienste werden allenfalls „noch besser“. Es gab keine Fehler in alten Produktvarianten. Alles war immer toll.

Das glaubt zwar kein Mensch, aber niemand traut sich, Schwäche zu zeigen oder Fehler zuzugeben. „Wo kämen wir denn da hin, wenn wir Fehlbarkeit zeigen würden? Unsere Konkurrenz lacht uns ja aus.“

In Unternehmen gibt höchstens Herausforderungen, den Euphemismus für Probleme. Und diese Herausforderungen muss man auch nicht allzu laut benennen.

Das Herausforderungen-Bewusstsein steckt tief – schließlich wurden wir in der Schule schlecht benotet, wenn wir Fehler gemacht haben. Und wer Fehler zugibt oder Schwäche zeigt, ist ein Fall für schlechte Noten. Das will niemand.

Nur wer sich an die Probleme herantraut, wird gute Geschichten finden.

Problem 3: Unternehmen haben keine Konflikte

„Unser Unternehmen ist eine große Familie“. Na klar. Aber so eine, in der Vati das Sagen hat, alle kuschen und das tun, was der Patriarch will. Konflikte gibt es nicht, nur Untergebene, die Befehle ausführen.

Bitte nicht falsch verstehen: es geht nicht darum, jeden Konflikt in einem Unternehmen ans Licht zu zerren. Es geht darum, Konflikte zuzulassen, zu erkennen, aufzuarbeiten und vielleicht Konflikte/Probleme zu finden, aus denen sich eine gute Geschichte machen lässt.

Problem 4: Unternehmen haben keine Heldinnen und Helden

Ich habe für einen Kunden ein Skript geschrieben. Das wurde zurückgewiesen mit der Aussage: „Wir wollen den Herrn XY nicht so weit herausstellen.“

Schade, denn die Geschichte war die eines Mitarbeiters, der sich gegen die herrschenden Verhältnisse auflehnte und dafür sorgte, dass sich etwas ändert. Alles im Rahmen natürlich, freundlich, höflich. Aber eben doch eine Heldengeschichte.

Das Skript wurde bezahlt, alles höflich und freundlich abgewickelt. Kein Problem also. Aber die Aussage, jemanden nicht so herausstellen zu wollen, wirkt nach.

„Wir sind die Firma, wir sind ein Kollektiv, niemand sticht heraus.“ Brrr.

Natürlich hat das auch eine andere Seite: Was, wenn Sie eine Heldin finden, über sie erzählen, das eventuell verfilmen und die Kollegin im Jahr darauf das Unternehmen verlässt. Dann können Sie Video und Story voraussichtlich einstampfen.

Aber es hilft nicht: Keine Story ohne Heldin und keine Story ohne Problem.

Was also tun?

Meine Empfehlungen:

  • Nicht alles muss als Story aufbereitet werden. Manchmal sind Fakten einfach nur Fakten. Die kann man aufbereiten und veröffentlichen, ohne da eine Heldenreise draufzusetzen.
  • Wenn Sie Stories entwickeln wollen, suchen Sie nach Problemen und deren Lösung.
  • Sie brauchen eine Heldin oder einen Helden. Das müssen nicht zwingend Menschen sein – aber es muss etwas sein, das wir vermenschlichen.
  • Achten Sie auf die Glaubwürdigkeit. Wenn wir ein Luxusproblem in eine Geschichte verpacken, machen wir uns eher lächerlich.

Lesen Sie hier weiter: Warum eine gute Story Fallhöhe braucht

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