Irgendwie hat sich das so eingeschliffen: Sechs Uhr aufstehen, Hunde füttern, Kaffee machen, Frühstück machen, Lina in Richtung Schule schicken und mit dem Kaffee an den Computer setzen. In letzter Zeit habe ich aber gemerkt: Ich bin müde.
Und zwar dauernd. Manchmal bin ich im Bürostuhl eingepennt, manchmal habe ich mich wie ein Zombie durch den Tag gearbeitet. Ich bin langsam geworden und habe mich schlecht konzentrieren können.
Zeit, etwas zu ändern: Wenn sich Lina zur Schule aufmacht, mache ich noch einmal Pause. Lesen, Podcast hören, bissl dösen. Also genau das Gegenteil der Morgenroutine aller Erfolgreichen. Einzige feste Regel der neuen Routine: Gearbeitet wird erst ab 9 Uhr.
Nach gut zwei Wochen scheint sich die neue Morgenroutine zu bewähren. Ich bin deutlich wacher und konzentrierter. Prima.
Ach, und den Kaffee gibt es dann auch erst um neun Uhr. Denn der hat immer für so eine innere Unruhe – oder positiv formuliert – für so einen Arbeitsdrang gesorgt. Brauche ich jetzt ja erst um neun.
Ok, das ist mal bissl schräger als sonst. Einer meiner wenigen Hörer auf dem Dark Ambient Kanal ist Christopher Golund, ein Autor aus Texas, der auch Fantasy-Geschichten schreibt. Er hört meine Tracks gerne als Hintergrund bei der Arbeit. Finde ich gut. Dafür sind sie ja gedacht.
Ich habe ein wenig auf seinem Blog gestöbert und bin auf einen Beitrag gestoßen, in dem er überlegt, eine Fantasy-Geschichte über Zwerge im Weltall zu schreiben.
Doch dann fragte ich mich: wie mag das klingen? Wie klingen Zwerge im Weltall?
Der Hype um ChatGPT ist umgeschlagen in Hyperventilation. Viele freuen sich, wie einfach es jetzt ist, „Content zu erstellen“. Endlich haut der Computer den Content raus, der jede Homepage und jede persönliche Marke ziert. Endlich ist es mühelos, Content zu liefern, von dem wir uns mehr Verkäufe und mehr Profil versprechen.
Auf der anderen Seite Sorge um den Job bei allen, die vom Schreiben leben. Wer soll ihre Texte noch kaufen, wenn eine Maschine schneller und billiger Wörter aneinander reiht? Berechtigt?
Und an eine Gruppe denkt niemand: Die Leser. Aber was wollen die schon. In diesem Sinne willkommen zu meinen handgetippten Thesen, wie sich Machine Learning auf die Textlandschaft im Internet auswirken wird.
1: Die Content-Flut steigt
Das Internet wird weiter geflutet mit flachen, wiedergekäuten Themen. Deren deutlichste Ausprägung, das Listicle, gibt es ja nicht erst, seit Maschinen unsere Texte schreiben. Tatsächlich ist der flache Text (kein Tiefgang, keine Spitzen, keine Haltung, nichts Neues) seit vielen Jahren heimisch im Netz – nicht zuletzt als Liste von „10 Dingen, die dies und das machen“.
Das Praktische an solchen Texten ist ja, dass sie nur ein paar Google-Suchen benötigen. Aus den Ergebnissen entsteht fix eine Liste. Fertig. Dafür brauchte ein Autor früher nur eine oder zwei Stunden. Jetzt brauchen wir nicht einmal mehr den Autoren.
Das Problem beim Wiederkäuen: es kommt nichts Neues dabei heraus. Außer natürlich bei diesem Listicle hier… Das ist neu.
2: Die Redaktion kommt zurück
Ich sehe keinen Sinn darin, gegen Maschinentexte zu wettern. Sie werden kommen. Sie sind schon da. Meine Hoffnung ist, dass die Texte nicht einfach so auf den Content-Halden der Websites landen. Wie alle anderen Texte brauchen sie Redaktion: Fakten prüfen, Struktur und Inhalt überarbeiten und die Tonalität an die Plattform anpassen.
Das wird ein Job für Menschen und vielleicht können sich textaffine Menschen aus der Autorentätigkeit in die Redaktion bewegen. Schön wäre es.
3: Texter werden aufhören
Die Maschinentexte erschweren die Arbeit vieler Texterinnen und Texter. Ein paar von ihnen werden sich umstellen müsen, besoinders jene, die ihre Brötchen mit Corporate-Texten verdient haben. Auch alle, die ihre Text-Dienstleistungen über Plattformen weiterverkaufen, werden Probleme mit Maschinentexten bekommen. Denn schließlich ist das maschinell erzeugte Dokument sogar noch billiger, als Texte für nen Fünfer schreiben zu lassen.
4: Texter werden spitzer, schärfer und wagemutiger
Der Druck aus dem Maschinentextraum wird viele Texterinnnen und Texter zu mehr Mut zwingen. Texte müssen pointierter werden, mehr Haltung zeigen und menschlich wirken. Soweit der optimistische Ansatz. Der pessimistische: Wer wird dann solche Texte kaufen, nur um sie wieder in den Abnutzungsschleifen glattzubügeln?
5: Machine Learning liefert genau die Texte, die Unternehmen wollen
Das mit den Texten und den Kunden läuft so: Es gibt ein Briefing, vielleicht ein paar Missverständnisse, dann einen Text, der dann in die Korrekturschleifen geht. Die Schleifen ziehen sich beim Kunden durch etliche Abteilungen und jeder Stakeholder muss einmal sein Beinchen am Text heben. Das Resultat: ein weichgespülter Text ohne Ecken und Kanten. Aber alle sind happy, weil jetzt ja ein Stück Content da ist – egal, ob er jemanden interessiert oder nicht.
Das Bedürfnis nach dem glatten Content erfüllt jetzt eine Software vermutlich mit weniger Korrekturschleifen. Die Texte kommen schon vage und weichgespült aus dem Algorithmus, der sich selbst ja an solchen Texten orientiert.
6: Andere Medienformen könnten profitieren
Ich bin kein Fan von „Video ist besser als Text“. Aber bei Video können wir zumindest darauf verlassen, dass die Person echt ist, die vor der Kamera spricht. Klar werden viele ihre Videoskripts auch von Maschinen schreiben lassen. Aber in Sachen Authenzität könnte Video profitieren. Wenn das Video selbst gedrehte Schnittbilder liefert, statt sich auf Stockmaterial zu verlassen, kann ein Film gegen Maschinentexte gewinnen.
7: Halbwahrheiten werden es leichter haben
Ideen wie die „Die Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen ist kürzer als die eines Goldfischs“ (hier widerlegt) oder „55% einer Präsentation bestehen aus Körpersprache und 38% aus der Stimme“ (hier widerlegt) halten sich so hartnäckig wie sie unwahr oder fehlinterpretiert sind. Das Problem ist, dass diese Behauptungen so oft auftauchen, dass sie für wahr gehalten werden. Maschinelles Lernen kann das noch nicht unterscheiden.
Mein Fazit
Die Maschinentexte kommen. Und ich finde das ok.
Doch ein Punkt ist mir wichtig: Viele begreifen „Content“ als notwendiges Übel, eine Füllmasse für das Marketing. Alleine schon das distanzierte „Content erstellen“ zeigt, wie entfremdet wir sind von Texten, Videos und Audioproduktionen.
Erst wenn wir begreifen, wie wichtig es ist, einen Text pointiert zu schreiben, ein überzeugendes Video zu drehen und einen interessanten Podcast aufzunehmen, werden wir aufhören, seelenlosen Content rauszuhauen und endlich beginnen, wieder zu publizieren.
ChatGPT und kein Ende. Texte aus dem Maschinellen Lernen sind da. Viele sind begeistert, viele sehen das Ende der von Menschen geschaffenen Texte.
Ich sehe das gelassen. Im Moment bewegen sich die Texte auf Einsteiger-Niveau: Schlecht recherchiert, klischeehaft geschrieben. Kein Gegner.
Mein Tipp: Falls Ihr Euch wundert, dass die Texte von ChatGPT Eure eigenen Social Media Postings ersetzen können, dann macht Euch Sorgen um Euren Schreibstil, nicht um eine Maschine.
Storytelling gilt als Werkzeug, um Produkte und Dienstleistungen an Kunden zu bringen. Eine Geschichte sei glaubwürdig und emotional. Aber Vorsicht: das gilt nur, wenn eine Geschichte beim Publikum ankommt. Hier Gründe, warum Storytelling in Unternehmen so oft scheitert.
Journalistische Texte stecken voller Klischees, Tautologien und Floskeln. Unnötig. Gut gewählte Wörter haben klaren und starken Sinn. Sie brauchen keine Eigenschaftswörter. Ausnahme: Unterscheidungen wie „rote Rose“ und „gelbe Rose“.
Wie fällt mir das Schreiben leichter? Nach 32 Jahren als Autor und Redakteur habe ich da ein paar Tipps. Wohlgemerkt: Das sind meine Tipps, die ich aus meinen Erfahrungen entwickelt habe – sie sind nicht zwingend allgemein gültig. Aber vielleicht helfen sie Ihnen, besser und schneller zu schreiben.
Neulich habe ich einen Link gesehen: „10 Tipps, um in Instagramm besser gesehen zu werden“. Aufgemacht und drei Bildschirmseiten lang durch einen Besinnungsaufsatz geackert: „Warum ist Instagram so toll, warum wollen wir alle Influencer werden.“ Unnützes Gefasel.