Digitale Fixierlösung – aus den Anfängen der Digitalfotografie

Nach langen Jahren wagt Kolumnist Martin Goldmann endlich den Schritt zur ernsthaften digitalen Aufnahmetechnik. Und er entdeckt keine Parallelen zum klassichen analogen Bad in der Fixierlösung. Fast keine.

Ganz sicher war ich mir nie, worin ich eigentlich gerade meine Hände badete. Geschirrspülmittel war es nicht. Denn es stand nicht Palmolive auf der Verpackung, sondern Ilford. Und der Duft, ja der Duft des Entwicklerbades hatte etwas von Morgenduft bei BASF- oder war es die Fixierlösung? Und dann das Wasserbad in der Dusche. „Vergrößerungen dekontaminieren.“ Klar, dass jedes Mal hinterher alles naß war. 

Hach, die Infrarotlicht-Romantik im eigenen Fotolabor, hier stimmte die Chemie.

Ich vermisse das nicht.

Es gibt Menschen, die würden so etwas vermissen. Und denen sei ihr Labor zu Hause auch unbelassen. Wer sich die Zeit nimmt, wird viel Freude dabei haben, das letztze Quäntchen Kontrast in den Grauabstufungen seines Schwarz-Weiß-Œuvre herauszukitzeln. Aber es gibt ja auch Menschen, die den ganzen Samstag im Motorraum ihres 30 Jahre alten BMW verbringen oder sich unter de Modellbahnanlage Lötzinn in die Augen tropfen lassen. Jeder soll seinen Spaß haben.

Mir hat es gereicht. Irgendwann hatte ich genug Dämpfe eingeatmet, genug gewässert, genug Probestreifen gezogen. Ich wollte das Licht außerhalb der Dunkelkammer sehen, wollte unter Menschen kommen, ein normales Leben führen. Ich wandte mich ab vom Schwarz-Weiß und allen seinen grauen Schattierungen. Zuerst ging es zum völlig albernen Umkehrfilm mit den herrlich umständlich zu verwaltenden Dias. Die Dias liegen noch heute, nach bald 20 Jahren, unsortiert in den ollen Agfa-Kästchen. Eines Tages kommt mal ein Dia-Scanner her. Und dann…

Dann kam Negativ-Film. Das war immer spannend. Welches Labor würde denn diesmal welchen Stich in meine Bilder zaubern? Müller grün, Mediamarkt blau, Saturn-Hansa gelb? Es ging so weit, dass ich wirklich wichtige Bilder als Handarbeits-Einzelaufträge an Labors vergeben habe. Wohlgemerkt als Gelegenheitsknipser, nicht als Profi.

Irgendwann war es genug. Ich habe aufgehört, zu fotografieren. Nur gelegentlich zog ich mit meiner Mju 1 durch die Gegend. Meine alte Pentax MX 1 kommt nur noch alle paar Jahre aus der Schublade heraus, auf der Suche nach einem freundlichen Foto-Spezialisten, der sie entharzt und neu schmiert.

Ein kurzes Intermezzo mit einer jetzt schon total veralteten DC240 brachte nur wenig Freude. Verschlusszeiten wie ein Cabrioverdeck, und Bildfolgen im Minutentakt nahmen dem Fotografieren erst recht die Freude. Immerhin. Ich konnte sofort sehen, welche Einstellung ich gerade vergeigt hatte – sofern die Batterien nicht vorher alle waren.

Doch jetzt ist sie da, die neue Digitalkamera, schön wie ein Desktop-Computer, elegant wie eine Butterbrot-Dose. Fünf Megapixel schwer, mit zwei Akkupacks, befreit sie mich von all dem Elend der Chemie und unzureichender Technik. Sie befreit mich vom Sortieren meiner Dias. Sie befreit mich von all den Farbstichen dieser Welt, die unsere Labors je zu Papier brachten. Und sie befreit mich von nächtelangen Sitzungen im dunklen Labor.

Und das Beste: Sie macht anständige Bilder und ich darf alle Automatik abstellen. Ich habe wieder Freude am Fotografieren gefunden. Nun sitze ich nächtelang vor dem Computer. Statt Rotlicht sehe ich einen schimmernden Bildschirm, statt Probestreifen anzufertigen, kämpfe ich mich durch Histogramme oder krümme Gradationslininen. Statt Belichten mit der Stoppuhr fordert pixelgenaues Schieben und das Rätseln in zwölf Ebenen meine Geduld. 

So habe ich das Beste aus beiden Welten: Ich kann schneller und preiswerter Fotografieren. Und zum pfriemeln, experimentieren und testen bleibt immer noch genug Spielraum. Nur den Duft, den Duft des Fixierbades, den vermisse ich doch ein wenig.

09/2002

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