Wissen Sie schon, was Sie heute fotografieren wollen? Gehen Sie doch mal zum Bahnhof. Da haben Sie alles: Natur, Action und jede Menge Motive.
Eine alte Leidenschaft ist wieder erweckt. Mein Vater schleppte mich einst über zahllose Bahnhöfe, an schiefe Ebenen und schicke Bahnübergänge. Und das nur, um Lokomotiven zu fotografieren. Einmal hätte mich ein irrsinnig rares Exemplar eine Rangierlok sogar fast überfahren.
So eine Lokomotive fasziniert – und je älter sie ist, desto mehr fasziniert sie. Diese Antithese zum windschlüpfigen Design der Neuzeit, diese Ecken, diese Kanten, diese kaum verhüllten Details. Wenn Sie irgendwo noch eine Pleuelstange sehen — halten Sie drauf.
Probieren Sie einmal aus, gehen Sie zum Bahnhof. Sie haben ein Dach über dem Kopf wenn es regnet oder schneit, sie haben Strukturen, Linien, Hochspannungsleitungen, Gestrüpp. Ihre Bildmotive können Sie im Viertelstundentakt wechseln, ohne sich vom Fleck zu bewegen. Sie haben den weiten Himmel der Landschaftsaufnahmen, die Gebäude für Architektur-Fotografie und Sie können den Jagdinstinkt befriedigen oder geduldig auf das Motiv warten. Sie haben Portraits, Menschen, Tiere. Und wenn Sie sich ein wenig auf die Wege abseits wagen haben SIe herrliche Ruinen, Bauschutt und kaputte Uhren. Wer mag da schon woanders hingehen?
Aber denken Sie vor Ihrer Fototour an eins: Der Bahnhof im nächsten Dorf ist möglicherweise nicht der ideale Einstieg in die Zugfotografie. Zwar liegen hier Schienen, doch das muss nicht heißen, dass hier auch ein Zug kommt. Gehen Sie zum Bahnhof in der nächst größeren Stadt. Später, wenn Sie das Kursbuch auswendig können und wenn Ihnen Ihr Freund im Bahnbetriebswerk verraten hat, welche Lok diesmal den Bummelzug zieht. Dann können Sie sich auch an einsame Stellen stellen und den Zug erwarten.
Wenn Sie sich beim Warten auf das nächste Bild langweilen, lauschen Sie ein den Durchsagen am Bahnsteig und sehen Sie in die genervten Gesichter der Bahnreisenden, wenn sie kopfschüttelnd auf die Uhr blicken, nur weil ihr tariferneuerter ICE wegen einer Signalstörung ein Stündchen später kommt. Halten Sie mit der Kamera drauf — ein Reisender mit Blick auf die Uhr am Bahnhof vermittelt gewisse Spannung. Seien Sie aber behutsam. Nicht dass der Reisende seinen Frust an Ihnen auslässt.
Ein kleiner Tipp noch zum Schluss: stecken Sie sich ein Nachschlagewerk ein. Denn falls Sie auf der Pirsch einen anderen Lok-Fotografen treffen, sollten Sie zumindest nach dem Fachsimpeln nachschauen können, worüber Sie sich gerade unterhalten haben.
02/2002
Lesen Sie hier weiter: Warum fotografieren Menschen Eisenbahn?