Digitale Kameras sind technische Wunderwerke. Doch manchmal wundert man sich doch sehr über die Technik. Wie schaffen es die Kameras nur, so langsam Bilder zu speichern? Computerfoto-Kolumnist Martin Goldmann hat sich seine Gedanken dazu gemacht.
Mögen Sie alte Diesel-Autos? Jene Maschinen mit 45 PS, die sich erst nach der Rudolf-Diesel-Gedenkminute starten lassen, bevor sie nagelnd um die nächste Ecke rußen? Ich mag diese Autos und bin froh, dass ich keines mehr fahren muss.
Dafür, dass ich mich immer wieder an diese lange Minute vor dem Anlassen meines alten Kadett Diesel im Winter erinnere, dafür sorgt meine Kamera. Sie ist jenes Stück High-Tech, das ich täglich bewundere und von dem ich während meiner ersten Diesel-Fahrzeuge noch nicht einmal träumte. Doch Kamera und Kadett sind sich nicht unähnlich: Was einst das Starren auf das gelbe Vorglüh-Lämpchen war ist jetzt das Warten, bis die Speicheranzeige des Bildes endlich wieder verschwindet.
Diese Speicheranzeige stellt sich mir besonders gerne dann in den Weg, wenn es mal schnell gehen muss: Ein schneller Schnappschuss bleibt immer auf einen Schuss beschränkt. Nach dem Bild zieht sich die Kamera erst einmal zurück. Sie faltet sorgfältig Bit um Bit zusammen, komprimiert ein Pixel hier, einen Bildpunkt da, sucht nach einem hübschen Speicherplätzchen, wägt ab, ob das Bit dort auch wirklich gut aufgehoben ist, verwirft den Speicherplatz wieder, sucht sich einen anderen Platz und macht zwischendurch erst einmal eine Pause, weil all das so anstrengend ist.
Mit der Zeit gewöhnt man sich an solches Verhalten der Kamera. Und ich finde es auch nicht mehr so peinlich, wenn ich das Gruppenbild bitte, noch ein paar Sekunden stehen zu bleiben, bis ich das zweite und dritte Foto im Kasten habe. Während dessen hat der Analog-Fotograf schon zwei Filme durch seinen Winder gejagt, diese entwickelt, vergrößert und in einer renommierten Ausstellung untergebracht.
Doch wehe mir, ich möchte in Serie fotografieren. Denn meine Kamera kann immerhin drei Fotos in kurzer Folge machen. Und mit etwas Geschick lässt sich zum Beispiel ein Pferd beim Absprung, im Flug und in der Landephase ablichten. Doch es bleibt bei dem einen Sprung. Nach den drei Serienbildern zieht sich die Kamera erst einmal zurück und speichert still vor sich hin. Der Springreiter ist in dieser Zeit schon einmal durch den Parcours gehoppelt und hat gar kein Verständnis dafür, wenn ich ihn bitte, doch die Strecke nochmals zu reiten.
Meine Kamera benimmt sich wie ein Computer der ersten Stunde: Nix Multitasking, erst wird gespeichert. Ich habe fast das Gefühl, dass im Inneren der Speicherkarten ein träger Mini-Mechanismus unglaublich kleine Löcher in winzige Lochkärtchen stanzt. Anders ist diese Trägheit beim Speichern nicht zu erklären.
Ist es denn wirklich nicht möglich, einen ausreichend großen Puffer in die Kameras zu bauen, einen ausreichend schnellen Prozessor und die Fähigkeit, im Hintergrund Daten zu speichern, während das aktuelle Bild aufgenommen wird? Jeder Computer hier ist schneller.
Oder muss ich mein Fotografen-Verhalten umstellen? Vielleicht wechsle ich meine Lieblingsmotive und stelle mich auf das Speicherverhalten meiner Kamera ein. Dann treibe ich mich künftig auf Veranstaltungen von Oldtimer-Clubs herum und fotografiere alte Diesel-Kisten mit ihren Besitzern. Die haben bestimmt Verständnis dafür, wenn’s mit dem zweiten Bild mal etwas länger dauert.
kolumne_03_09
Lesen Sie hier weiter: Hochzeitsfotografie 2002 – alles läuft schief