Chat GPT: 7 Prognosen für die Zeit nach dem Hype

Der Hype um ChatGPT ist umgeschlagen in Hyperventilation. Viele freuen sich, wie einfach es jetzt ist, „Content zu erstellen“. Endlich haut der Computer den Content raus, der jede Homepage und jede persönliche Marke ziert. Endlich ist es mühelos, Content zu liefern, von dem wir uns mehr Verkäufe und mehr Profil versprechen.

Auf der anderen Seite Sorge um den Job bei allen, die vom Schreiben leben. Wer soll ihre Texte noch kaufen, wenn eine Maschine schneller und billiger Wörter aneinander reiht? Berechtigt?

Und an eine Gruppe denkt niemand: Die Leser. Aber was wollen die schon. In diesem Sinne willkommen zu meinen handgetippten Thesen, wie sich Machine Learning auf die Textlandschaft im Internet auswirken wird.

Textausgabe aus ChatGPT.
Ein klassisches Listicle – bestes Recycling von Chat GPT.

1: Die Content-Flut steigt

Das Internet wird weiter geflutet mit flachen, wiedergekäuten Themen. Deren deutlichste Ausprägung, das Listicle, gibt es ja nicht erst, seit Maschinen unsere Texte schreiben. Tatsächlich ist der flache Text (kein Tiefgang, keine Spitzen, keine Haltung, nichts Neues) seit vielen Jahren heimisch im Netz – nicht zuletzt als Liste von „10 Dingen, die dies und das machen“.

Das Praktische an solchen Texten ist ja, dass sie nur ein paar Google-Suchen benötigen. Aus den Ergebnissen entsteht fix eine Liste. Fertig. Dafür brauchte ein Autor früher nur eine oder zwei Stunden. Jetzt brauchen wir nicht einmal mehr den Autoren.

Das Problem beim Wiederkäuen: es kommt nichts Neues dabei heraus. Außer natürlich bei diesem Listicle hier… Das ist neu.

2: Die Redaktion kommt zurück

Ich sehe keinen Sinn darin, gegen Maschinentexte zu wettern. Sie werden kommen. Sie sind schon da. Meine Hoffnung ist, dass die Texte nicht einfach so auf den Content-Halden der Websites landen. Wie alle anderen Texte brauchen sie Redaktion: Fakten prüfen, Struktur und Inhalt überarbeiten und die Tonalität an die Plattform anpassen.

Das wird ein Job für Menschen und vielleicht können sich textaffine Menschen aus der Autorentätigkeit in die Redaktion bewegen. Schön wäre es.

3: Texter werden aufhören

Die Maschinentexte erschweren die Arbeit vieler Texterinnen und Texter. Ein paar von ihnen werden sich umstellen müsen, besoinders jene, die ihre Brötchen mit Corporate-Texten verdient haben. Auch alle, die ihre Text-Dienstleistungen über Plattformen weiterverkaufen, werden Probleme mit Maschinentexten bekommen. Denn schließlich ist das maschinell erzeugte Dokument sogar noch billiger, als Texte für nen Fünfer schreiben zu lassen.

4: Texter werden spitzer, schärfer und wagemutiger

Der Druck aus dem Maschinentextraum wird viele Texterinnnen und Texter zu mehr Mut zwingen. Texte müssen pointierter werden, mehr Haltung zeigen und menschlich wirken. Soweit der optimistische Ansatz. Der pessimistische: Wer wird dann solche Texte kaufen, nur um sie wieder in den Abnutzungsschleifen glattzubügeln?

5: Machine Learning liefert genau die Texte, die Unternehmen wollen

Das mit den Texten und den Kunden läuft so: Es gibt ein Briefing, vielleicht ein paar Missverständnisse, dann einen Text, der dann in die Korrekturschleifen geht. Die Schleifen ziehen sich beim Kunden durch etliche Abteilungen und jeder Stakeholder muss einmal sein Beinchen am Text heben. Das Resultat: ein weichgespülter Text ohne Ecken und Kanten. Aber alle sind happy, weil jetzt ja ein Stück Content da ist – egal, ob er jemanden interessiert oder nicht.

Das Bedürfnis nach dem glatten Content erfüllt jetzt eine Software vermutlich mit weniger Korrekturschleifen. Die Texte kommen schon vage und weichgespült aus dem Algorithmus, der sich selbst ja an solchen Texten orientiert.

6: Andere Medienformen könnten profitieren

Ich bin kein Fan von „Video ist besser als Text“. Aber bei Video können wir zumindest darauf verlassen, dass die Person echt ist, die vor der Kamera spricht. Klar werden viele ihre Videoskripts auch von Maschinen schreiben lassen. Aber in Sachen Authenzität könnte Video profitieren. Wenn das Video selbst gedrehte Schnittbilder liefert, statt sich auf Stockmaterial zu verlassen, kann ein Film gegen Maschinentexte gewinnen.

7: Halbwahrheiten werden es leichter haben

Ideen wie die „Die Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen ist kürzer als die eines Goldfischs“ (hier widerlegt) oder „55% einer Präsentation bestehen aus Körpersprache und 38% aus der Stimme“ (hier widerlegt) halten sich so hartnäckig wie sie unwahr oder fehlinterpretiert sind. Das Problem ist, dass diese Behauptungen so oft auftauchen, dass sie für wahr gehalten werden. Maschinelles Lernen kann das noch nicht unterscheiden.

Ein Textausdruck von ChatGPT.
ChatGPT überzeugt mit fehlinterpretierten Studien.

Mein Fazit

Die Maschinentexte kommen. Und ich finde das ok.

Doch ein Punkt ist mir wichtig: Viele begreifen „Content“ als notwendiges Übel, eine Füllmasse für das Marketing. Alleine schon das distanzierte „Content erstellen“ zeigt, wie entfremdet wir sind von Texten, Videos und Audioproduktionen.

Erst wenn wir begreifen, wie wichtig es ist, einen Text pointiert zu schreiben, ein überzeugendes Video zu drehen und einen interessanten Podcast aufzunehmen, werden wir aufhören, seelenlosen Content rauszuhauen und endlich beginnen, wieder zu publizieren.

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